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Mit insektizidhaltigen Netzen gegen Malaria in Tansania

Insektizidbehandelte Mückennetze spielen eine Schlüsselrolle bei der Malaria-Bekämpfung. Doch die wichtige Frage lautet: Wie gelangen diese an die ärmsten Bevölkerungsschichten?

Tansania. Das ostafrikanische Land war einst berüchtigt für seine hohe Malariaübertragung. Doch in den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Malariasituation zum Besseren gewendet. Auch dank Forschung und der Verbreitung von insektizid-behandelten Mückennetzen. Zuvorderst mit dabei: Expertinnen und Experten des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH). Seit Mitte der 1990er-Jahren sind sie in der von Malaria betroffenen Morogoro-Region im ländlichen Südwesten des Landes aktiv. «Eigentlich begann alles relativ bescheiden, mit einem Check des Rotary Clubs Schweiz über CHF 120’000», erinnert sich Christian Lengeler, Malariaspezialist am Swiss TPH. Dieses Geld ermöglichte erste Studien zur Nachfrage nach solchen Netzen. Und gab den Anstoss zu grossen Forschungsinitiativen, finanziert von den Regierungen der Schweiz und Tansania. Wie zum Beispiel das sogenannte KINET-Projekt, das knapp 500'000 Menschen einschloss.


Eine lückenlose Lieferkette von der Fabrik bis auf die Türschwelle

Das Projekt versuchte mit Methoden aus dem sozialen Marketing eine breite Verteilung der Netze zu gewährleisten. «Es war das erste Mal überhaupt in der Malariaforschung, wo Erkenntnisse aus dem kommerziellen Marketing auf ein Produkt übertragen wurde, bei dem nicht der finanzielle Profit, sondern die Verbesserung der Gesundheit unterprivilegierter Menschen im Zentrum stand», sagt Gesundheitsexperte Marcel Tanner. Nebst Studien zu den Präferenzen Menschen in Bezug auf Farbe und Form ging es aber hauptsächlich auch um den Aufbau einer lückenlosen Lieferkette: von der Fabrik, über die Gross- und Kleinhändler bis zu den oft weit abgelegenen Häusern der ländlichen Bevölkerung.


Diese war durchaus bereit, für ein solches Netz zu bezahlen. Für umgerechnet 5 USD konnte man sich ein Netz erwerben. Einen Teil davon konnten sich die Gross- und Kleinhändler als Kommission gutschreiben. «Damals gab es noch keine Geldgeber, welche eine kostenlose Verteilung von Netzen an die Bevölkerung finanziert hätten», sagt Christian Lengeler. «Wir mussten bei der Verteilung auf den Privatsektor setzen.» Damit aber auch die grössten Risikogruppen sich ein Netz leisten konnte, erhielten schwangere Frauen und Mütter mit Kleinkinder einen Gutschein. Dieser erlaubte ihnen für USD 0.80 ein solches Netz zu kaufen. Dank der Arbeit des Swiss TPH und seiner Partner im Kilomberotal konnte die Abdeckung mit Moskitonetzen in den ländlichen Distrikten von 10% auf 50% erhöht werden. Die Kindersterblichkeit sank um 27%.


Von der Wissenschaft zum nationalen Malaria-Kontroll-Programm

Grund genug, das Projekt auf nationaler Ebene weiterzuführen. Anfang des neuen Jahrtausends wurde eine internationale Partnerschaft ins Leben gerufen: Mit von der Partie waren Partner aus der Regierung, dem Privatsektor, der Wissenschaft, NGOs, bilateralen Geldgebern und multilateralen Organisationen. Ihr Ziel war es, die in Tansania gewonnenen Erkenntnisse aus der Wissenschaft in ein nationales Programm zu überführen. «Als Wissenschaftler galt es nun umzudenken, und seine angestammte Rolle zu verlassen», erinnert sich Christian Lengeler. Das nationale Programm ruhte auf drei Pfeilern: Eine Organisationseinheit innerhalb des nationalen Malaria-Kontroll-Programms, unterstützt vom Swiss TPH und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza). Ein nationales soziales Marketing-Programm, um den kommerziellen Sektor anzukurbeln. Und ein nationales Gutschein-System, dass schwangere Frauen und Kinder beim Kauf eines Netzes begünstigte. Somit liessen sich die Netze zu erschwinglichen Preisen auch in die hintersten Winkel des Landes liefern. Doch zeigte sich, dass durch die hohen Transportkosten in abgelegene Gebiete gerade in ärmeren Regionen der Verkaufspreis für diese Netze höher lag, als in den Zentrumsregionen. Der Aufpreis, den die Menschen fernab der städtischen Zentren zu zahlen hatten, schwanke zwischen USD 0.60 und USD 2.00, was gerade den ärmsten Menschen den Erwerb eines Netzes verunmöglichte.


Eine empörte Sharon Stone

Am World Economic Forum (WEF), das im Januar 2005 über die Bühne ging, zeigte sich die Schauspielerin Sharon Stone empört. Darüber, dass weltweit jedes Jahr 500,000 Kinder an Malaria sterben, weil sie nicht unter einem schützenden Netz schlafen. Sie ergriff das Mikrofon, wandte sich an Benjamin Mkapa, den tansanischen Präsidenten, und sagte: «Ich spende 10'000 Dollar, damit sie noch heute Moskitonetze kaufen können.» Und ans Publikum gewandt: «Stehen Sie auf! Jeden Tag sterben Menschen in Tansania an Malaria. Das kann ich nicht akzeptieren.» Das Gerücht, dass Sharon Stone in fünf Minuten 1 Million Dollar für Moskitonetze mobilisierte, drehte eine rasche, mediale Runde. Doch die Ausbeute war weitaus geringer. Obwohl einige WEF-Anwesende spontan ihre Unterstützung versicherten, kamen am Ende des Tages lediglich USD 140'000 zusammen.


Zu dieser Zeit hatte Tansania aber bereits eine Kampagne für Massenverteilung von kostenlosen Netzen geplant und fest mit Frau Stones Million gerechnet. Schlussendlich war UNICEF bereit, den Fehlbetrag von USD 860'000 zu bezahlen.


Die Massenverteilung als Gebot der Stunde

Die Diskussion um das effizienteste und gerechteste Verteilmodell war mit dem bescheidenen Erfolg von Sharon Stone aber nicht vom Tisch. Auf der einen Seite standen jene, die auf den Privatsektor setzten. Auf der anderen die, welche für Massenverteilung von kostenlosen Netzen votierten. Letztere fanden im Ökonomen Jeffrey Sachs einen prominenten Fürsprecher. Sachs bewertete die Methoden des sozialen Marketings in Tansania kurzerhand als Misserfolg, weil dadurch nicht mehr als 40% der Gesamtbevölkerung erreicht würden. Er forderte eine sofortige Verteilung der Netze an die Gesamtbevölkerung. «Jeffrey Sachs hatte recht. Man muss neidlos anerkennen, dass er Vision hatte, die uns damals fehlte», sagt Christian Lengeler. Doch damals standen die heute vom Global Fund bereitgestellten Mittel für eine Massenverteilung von Gratisnetzen noch nicht zur Verfügung. Zudem fürchteten Wissenschaftler wie Christian Lengeler oder Jo Lines, von der London School of Hygiene and Tropical Medicine, dass durch die Gratisverteilung der sich im Aufbau befindliche Privatsektor im Keim erstickt würde. Und die afrikanischen Länder sich erneut in eine Abhängigkeit von reichen Geldgebern manövrierten.


Gefahr einer Unterversorgung

Die Massenverteilung von Netzen ist heute das dominierende Modell. 2009 wurden unter dem Schirm des nationalen Malariaprogramms in Tansania rund 8 Millionen Netze an Kinder unter 5 Jahren verteilt. In der Periode von 2010-2011 gelangten 17 Millionen weitere Netze in die Hände der Bevölkerung. Eine zweite Massenverteilung fand 2015-2016 statt: Die umfangreichste Verteil-Kampagne in ganz Afrika. Doch es gibt ein Problem: «Eine Massenverteilung findet nur alle 5 Jahre statt. Ein Netz schützt aber nur für rund zwei bis drei Jahre», sagt Christian Lengeler. Mit anderen Worten: Es gibt eine Lücke von zwei bis drei Jahren, in denen die Menschen nicht genügend von Malaria geschützt sind. Deshalb hatte Tansania nun begonnen durch die Gratisverteilung von Netzen an Schulen dieser Unterversorgung entgegenzutreten. Im Moment sind zwei Drittel des Landes über solche Schulprogramme abgedeckt.


Heute schlafen über 70% der tansanischen Bevölkerung unter einem schützenden Moskitonetz. So viele Menschen wie noch nie. Seit dem Jahr 2000 ist auch die Intensität der Malaria-Übertragung wie auch die Kindersterblichkeit in Tansania stark zurückgegangen. Letztere um rund 40%. Ein Erfolg, den auch die Deza honorierte. Anfang 2020 hat die Schweizer Entwicklungshilfe die Unterstützung an das vom Swiss TPH umgesetzte Malaria-Programm Tansanias um weitere vier Jahre verlängert.

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