Vom Unternehmer Heinrich Gebert (GEBERIT) ins Leben gerufen, fördert die Gebert Rüf
Stiftung seit 1998 Innovation in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Bildung in
der Schweiz. Ein Gespräch mit der Direktorin Pascale Vonmont über Männer, Frauen und den Mut, Neues zu wagen.
Gibt es eine innovative Idee, ein Produkt, das Ihr Leben veränderte?
«Das Internet möchte ich kaum mehr hergeben. Das Spannende dabei ist, dass niemand mit einem solchen Aufstieg von Google und Co. gerechnet hatte. Eine radikale Innovation ist immer eine Wette in die Zukunft. Deshalb brauchen wir in den Fachjurys eine gewisse Vor-
stellungskraft und Erfahrung, um zu ermessen, welche Idee, welches Produkt in der Zukunft einen Mehrwert für die Gesellschaft erbringen könnte.»
Irrt man sich dabei?
«Sicher. Deshalb sind für mich bei der Beurteilung eines Projekts die Menschen dahinter ein zentraler Faktor. Nur wenn ein Team für eine Idee brennt und diese wirklich eine Herzensangelegenheit ist, kann ein Projekt zum Fliegen kommen. Man muss bei der Innovationsförderung den Antrieb, die Motivation der Menschen für eine Sache spüren.»
Haben wir in der Innovationsförderung einen Genderbias?
Oder anders gefragt: Sind es vor allem Männer, die bei Ihrer Stiftung um Innovations-Gelder nachfragen? «Die Nachfrage nach Innovationsförderung ist immer ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn es an der ETH im Studiengang Maschinenbau 90 Prozent Männer hat, dann wirkt sich das natürlich auch auf die Antragslage der Gebert Rüf Stiftung aus.
Wir haben ein spezielles Handlungsfeld in der Stiftung eingehend unter diesem Gesichtspunkt analysiert und gesehen, dass unter den Antragstellenden nur 8 bis 9 Prozent Frauen waren, während bei den Gründungsteams der Frauenanteil bei 25 Prozent lag. Seither gibt
es keine Präsentationen und keine Bilder nur mit Männer. Anders gesagt: Was gesellschaftlich gegeben ist, kann man nicht beeinflussen, alles andere schon.»
Ein Klischee: Männer verstehen es oft besser, auch unausgegorene Ideen gut zu verkaufen, während Frauen bei Präsentationen oft selbstkritischer sind.
«Ja, das ist ein Klischee, das ein Körnchen Wahrheit birgt. Die Frage ist nun: Müssen sich die Frauen den Männern anpassen und ein Overselling betreiben? Oder sollte es nicht eher umgekehrt sein? Wir wollen ja keine Schaumschläger und Angeber, die sich beim ersten Satz als solche entpuppen. Sicher muss man seine Idee gut verkaufen können. Aber auf eine authentische Art und Weise. Vielleicht werden die Jungs hier auch in eine Rolle gedrängt, die ihnen gar nicht so sehr entspricht.»
Oft hört man, dass man zu sogenannten ‹pitches› (Ideen-Präsentationen) gar nicht erst anzutreten braucht, wenn man nicht glaubhaft machen kann, dass man in seiner Unternehmer-Karriere schon etliche Male gescheitert ist. Ist die Kultur des Scheiterns eine Grundvoraussetzung für den Aufstieg auf den Innovations-Olymp?
«Das Scheitern zu heroisieren ist sicher falsch. Ein Unternehmen aus Fahrlässigkeit an die Wand zu fahren, kann nicht das Ideal sein. Auf der anderen Seite haben wir in der Schweiz die Tendenz, das Scheitern zu stigmatisieren. Auch das ist nicht richtig. Die Frage ist immer: Was hat jemand aus dem Scheitern gelernt, was macht er oder sie heute anders? Und: Kann er oder sie diese Lernkurve plausibel aufzeigen.»
Sie selbst sind promovierte Chemikerin. Rührt Ihre Faszination für das Neue, für das Risiko, für das Experiment noch von Ihrem Chemiestudium?
«Ja, sicher. Die Tatsache, dass die ganze Welt aus nur 118 Elementen zusammengesetzt ist, finde ich unglaublich faszinierend. Diese Bausteine des Lebens und ihre mannigfaltigen Kombinationen zu verstehen, haben meine Vorstellungen von Innovation stark beeinflusst.»
Auf der Website der Gebert Rüf Stiftung liest man Slogans und fremd anmutende Begriffe wie ‹Wissenschaft.Bewegen› oder ‹Wissensunternehmerschaft›. Braucht Innovation zwingend den Unternehmergeist, den Markt?
«Nicht unbedingt. Auch Grundlagenforschung kann sehr innovativ und disruptiv sein. Aber die Gebert Rüf Stiftung versteht sich als eine Brückenbauerin. Wir wollen helfen, den innovativen Ideen den Weg zum Markt zu ebnen, sie für Wirtschaft und Gesellschaft verfügbar zu machen. Auf der Innovationskette ist das genau die Phase, für die sich die staatliche Förderung nicht mehr, und private Investoren noch nicht verantwortlich fühlen. Deshalb ist hier die Philanthropie gefragt».
Innovation wird heute oft mit Technik gleichgesetzt. Greift diese Definition nicht zu kurz?
«Doch. Die Gebert Rüf Stiftung versteht Innovation sehr breit. Die Stiftung war eine Vorreiterin im Bereich der sozialen Innovation in der Schweiz. Deshalb unterstützen wir nicht nur Produktinnovation aus der Deep Tech-Branche, sondern auch neue Ideen im Sozialwesen oder im Bereich der politischen Bildung.»
Hätten Sie hierzu ein Beispiel?
«Über unser Handlungsfeld ‹First Ventures› förderten wir zum Beispiel das Projekt ‹CH+›. Es ist eine App mit dem Ziel, die politische Bildung und die politische Beteiligung Schweizer Jugendlicher zu vereinfachen.»
ZUR PERSON:
Ausbildung und berufliche Laufbahn: Pascale Vonmont studierte an der ETH Zürich Chemie und promovierte 1993 im Bereich Biopolymere. Gleichzeitig schloss sie die Ausbildung zur Gymnasiallehrerin ab und war während sechs Jahren am Wirtschaftsgymnasium Zürich unterrichtstätig.
Während fünf Jahren wirkte sie an der Universität Basel massgebend an Konzeption und Aufbau eines neuen interdisziplinären Lehrprogrammes im Spannungsfeld ‹Mensch – Gesellschaft – Umwelt› mit und bekleidete den Lehrauftrag ‹Wissenschaft und Technik›.
Seit 1999 ist sie bei der Gebert Rüf Stiftung in leitender Funktion tätig, ab 1. Januar 2017 als Direktorin.
2009 absolvierte sie an der European Business School der International University in Oestrich-Winkel die Ausbil-dung als ‹Foundation Manager EBS›.
Im Sommer 2015 war sie im Rahmen eines Sabbaticals während drei Monaten als Visiting Fellowship am Foundation Center in New York.
Die Gebert Rüf Stiftung
Die Gebert Rüf Stiftung wurde vom Unternehmer Heinrich Gebert als Wissenschafts- und Innovationsstiftung gegründet. Ihr Ziel ist, «die Schweiz als Wirtschafts- und Lebensraum» zu stärken (Zweckartikel). Als private Förderagentur unterstützt sie unternehmerische und der Wirkung verpflichtete Projekte gemäss ihrem Leitspruch «Wissenschaft.Bewegen».
VISION
Die Gebert Rüf Stiftung ist der unternehmerischen Vision ihres Stifters verpflichtet. Gemäss ihrem Leitbild fördert sie Innovation zum Nutzen der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft. Mit einem jährlichen Budget von CHF 15 Mio. ermöglicht sie, unternehmerische Wissenschafts- und Bildungsprojekte umzusetzen.
Innovation unterstützen. Die Gebert Rüf Stiftung engagiert sich als aktiv gestaltende und ermöglichende Förderstiftung für projektbezogene Anschubfinanzierungen oder Projekte mit Brückensteinfunktion, Vorhaben also, die massgeblicher Teil eines grösseren Wirkungszusammenhangs sind. Sie will nicht einfach Bestehendes und Bewährtes finanzieren, sondern Innovationen unterstützen und so den Wirtschafts- und Lebensstandort Schweiz stärken. Mit ihren begrenzten Mitteln kann sie modellhaften Pionierprojekten zum Durchbruch verhelfen. Die Projekte und ihre Finanzierung werden durch die Stiftung sorgfältig begleitet und evaluiert.
Nachwuchs fördern: Die Gebert Rüf Stiftung finanziert, begleitet und vermittelt die Umsetzung unternehmerischer Forschungs- und Bildungsprojekte, die das Potential eines zukunftsweisenden Aufbruchs in sich tragen. Als private, ausserhalb institutioneller und politischer Interessen stehende Organisation nutzt sie den Freiraum ihrer Unabhängigkeit. Sie versteht sich nicht als Ansprechpartnerin für Projekte, die Bekanntes nach dem Motto «schneller, höher, weiter» optimieren. Ihr Interesse gilt anspruchsvollen Initiativen von ehrgeizigen, qualifizierten Nachwuchstalenten, die Neues bewirken und unternehmerisch umsetzen wollen.
Zukunft gestalten: Die Gebert Rüf Stiftung will mit ihren Förderaktivitäten Impulse geben. Sie legt deshalb Wert auf die Vernetzbarkeit von Einzelprojekten und deren Zuordnung zu Handlungsfeldern. Um Wirkung zu erreichen, setzt sie ihre Ressourcen flexibel, gleichzeitig aber gebündelt ein. Die Dauer- oder Fortsetzungsfinanzierung von Vorhaben ist nicht ihre Aufgabe. Die Gebert Rüf Stiftung will Partnerin und aktive Mitgestalterin von Förderprojekten sein; sie versteht sich nicht als Sponsorin oder Geldverteilungsstelle, sondern als Partnerin und aktive Mitgestalterin. Dabei gehen klassische Vergabetätigkeit und operative Tätigkeit ineinander über.
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