Wenn Wissenschaft und Kunst in Dialog treten, dann eröffnen sich dem Betrachter Welten, von denen er vorher nicht einmal zu träumen gewagt hatte.
Der Basler Biologe und Fotograf Martin Oeggerli evoziert mit dem Rasterelektronenmikroskop Bilder von
schauderhafter Schönheit. Grossaufnahmen von Mikroorganismen, die sich dem menschlichen Auge gewöhnlich entziehen: Viren, Bakterien, das Mikrobiom eines menschlichen Kusses. Gepanzerte Läuse, die wie eine Armada aus einem Science Fiction-Film bedrohlich ihre Muskeln spielen lassen. Oeggerlis aufwendige Kolorierungen sind nicht reine Ästhetik. Indem er verborgene Lebewesen und Strukturen sichtbar macht, erlaubt er der Wissenschaft neue Erkenntnisse und den Menschen ein Gefühl für ihre unsichtbare Umgebung.
«Ich möchte das Bewusstsein der Menschen dafür schärfen, dass uns viele Mikroorganismen umgeben, die eine entscheidende Rolle in unserem Leben spielen können, auch wenn wir sie nicht sehen», sagt er.
Der Mikronaut Martin Oeggerli wurde 1974 in der Schweiz geboren. Er schloss sein Studium an der Universität Basel mit einem Doktorat in medizinischer Molekularbiologie ab. Ende 2005 spezialisierte er sich auf Farb-Scanning-Elektronenmikroskopie und arbeitet seither als freiberuflicher Wissenschaftsfotograf.
Oeggerlis Bilder erscheinen bis heute in den weltweit renommiertesten Zeitschriften für Wissenschaft und Fotografie (z. B. BBC, Nature, Cell, Vogue, GEO und National Geographic). Für seine Arbeit wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit den International Photography Awards (2010, 2011), dem Photography Master’s Cup (2011), dem Preis für das Beste wissenschaftliche Titelbild (2008, 2010, 2012, 2014), das Beste Bild der Forschung (2006, 2008, 2009 und 2010), dem Deutschen Preis für Wissenschaftsfotografie (2009, 2011). Im Jahr 2011 wurde er als Internationaler Fotograf des Jahres – Spezialfotografie nominiert und vom prominenten chinesischen Künstler und Kunstdirektor Ai Weiwei eingeladen, den Bereich Wissenschaft und Kunst auf der Gwangju Design Biennale in Südkorea zu vertreten. Im Jahr 2020 entwickelte er eine Sonderbriefmarkenserie (Microscopic Art Edition) für die
Schweizer Post.
Bild 1: Pfefferminz – nicht jedermanns Geschmack
Weder Harpune noch Gift. Die Pfefferminz-Pflanze hat zu ihrem Schutz in eine andere Trickkiste gegriffen. Und verfügt über Geschmacksstoffe, die jeder hungrigen Raupe den
Appetit rauben. Die Geschmacksstoffe werden in den Drüsen, in der äussersten Blattschicht eingelagert (blau eingefärbt). Frisst sich eine Raupe durch das Blatt, so reissen die
‹Duftsäcke› auf und schlagen die Schädlinge in die Flucht.
Title: Peppermint (Mentha x piperita) - Oli-filled glands on a leaf Filename: 20190611-Mentha-001006_final2_HORIZONTAL_grey Copyrights: © Martin Oeggerli / Micronaut 2019, Pathology University Hospital Basel, and Bio-EM Lab, Biozentrum, University Basel.
Bild 2: Metamorphosen: Auf dem verschlungenen Pfad zur Stechmücke
Stechmücken sind die gefährlichsten Tiere der Welt. Sie übertragen die Malaria und andere Infektionskrankheiten. Doch ihre Entwicklung vom Ei zur ausgewachsenen Mücke ist ein biologisches Faszinosum. Nur noch wenige Tage und aus der Puppe schlüpft eine adulte Stechmücke der Gattung Anopheles gambiae. Vorerst hängt sie an der Wasseroberfläche. Und atmet durch zwei Atemhörnchen. Das zukünftige Age und die Flügel schimmern bereits durch die Puppenhaut. Kräuselt sich die Wasseroberfläche, schlägt die Puppe mit ihrem Schwanz und flüchtet in die Tiefe. Und kehrt wenig später dank den Lufteinlagerungen wieder an die Wasseroberfläche.
Title: Mosquito Pupae (A. gambiae), Filename: 20110412_Mossi_005591_final
Copyrights: © Martin Oeggerli / Micronaut 2008, kindly supported by Swiss TPH, Pathology, University Hospital Basel and School of Life Sciences, FHNW.
Bild 3: Das Lebermoos
Das Lebermoos ist ein pflanzliches Fossil. Eine der ursprünglichsten Pflanzen der Erde. Lebermoose haben weder richtige Wurzeln noch Stängel oder Blätter (dafür etwas THC, dank dessen sie sich in gewissen Kreisen grosser Beliebtheit erfreuen). Lebermoose sind genügsam. Sie wachsen an Orten, an denen ein Leben nur schwer vorstellbar ist; zwischen den Ritzen von Steinplatten, auf Parkplätzen oder Autobahnraststätten.
Ihre Anspruchslosigkeit ist ihre Stärke, dadurch sind sie an das Leben in der modernen Stadt angepasst. Dort, wo die Flora sonst nur als Zierpflanze auf Terrassen oder Hinterhausgärten in Erscheinung tritt, vermögen sie ohne fremde Hilfe zu überleben.
Title: Liverwort (Marchantia polymorpha) Filename: 20120618_Liverwort_002222_final
Copyrights: © Martin Oeggerli / Micronaut 2021, kindly supported by Pathology, University Hospital Basel and School of Life Sciences, FHNW.
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